Hirten kreuzen die Fahrbahn
von Jan von Lingen
Als unsere Kinder klein waren, entstand bei uns in der Adventszeit ein ungewöhnlicher Brauch, der sich bis heute gehalten hat. Ab dem 1. Advent sind überall im Haus Krippenfiguren unterwegs. Die Hirten sitzen plötzlich auf dem Fernseher. Schafe grasen auf dem Küchenregal. Die Sterndeuter ziehen würdevoll über das Fensterbrett. Und Maria und Josef mit dem Esel? Sie sind vielleicht da, wo es am kältesten ist: An der Eingangstür. Jeder in der Familie darf mitmachen und die Figuren an einen anderen Platz stellen…- so kreuzen sie unsere Wege und wandern durch die Adventszeit.
Wie wir damals darauf kamen? Ich weiß es nicht mehr. Vielleicht war es der Wunsch der Kinder, die „Vorgeschichte“ der Weihnacht zu spielen. Die Hirten sind ja schon da und frieren in der Kälte. Und Maria und Josef sind noch auf ihrem mühsamen Weg. Und mit den wandernden Krippenfiguren kommen wir selbst in Bewegung und erkennen: Wir sind ja auch unterwegs und nähern uns langsam dem großen Fest…
Morgen, am 1. Advent, beginnt unsere diesjährige, ganz „persönliche“ Vorgeschichte der Weihnacht. Welchen Weg gehe ich gerade und was bringe ich mit in diese Wochen? Manches erscheint mir wie ein Fragment, unvollkommen und brüchig. Über anderes freue ich mich und sehe darin etwas von der Adventsfreude aufleuchten. Egal, wo ich stehe, wie es mir geht und was ich mit mir herumtrage – für mich gilt dieselbe Regel wie für die wandernden Krippenfiguren in der Adventszeit: Heiligabend dürfen alle ankommen – nämlich bei der Krippe und der Botschaft der Engel: Euch ist heute der Heiland geboren!