Fangesang in der Ostkurve
„Nur für diesen Verein wollen wir kämpfen und schrein, wir sind alle ein Stück VFL Osnabrück.“
Ich stehe in der Ostkurve im Stadion an der Bremer Brücke. Die Fankurve. Zusammen mit tausenden Menschen singe ich die Hymne. Vor mir ein paar Mädchen, sie liegen sich in den Armen und grölen laut. Neben mir ein Mann Mitte 40, Brille, Hipsterbart. Er legt den Arm über die Schulter seines Freundes und schreit aus voller Kehle „Unsre Herzen schlagen heiß für die Farben lila weiß.“. Da kommt mein Vater mit der Bratwurst. Keine Zeit zum Essen, mit lauter Stimme muss er mitsingen.
Endlich betritt die Mannschaft den Platz. Jubel flutet das Stadion, jetzt geht es los.
Lange war ich nicht mehr hier. Kenne die Fangesänge natürlich trotzdem alle. Mein Vater hat seit vielen Jahrzehnten eine Dauerkarte für seinen Verein. Er hat uns Kinder immer gerne mitgenommen. Nie hatte ich Angst oder Langeweile, habe mich immer mitreißen lassen von der Stimmung. Mein Bruder wurde richtig mit dem VFL-Fieber infiziert, kommt bis heute aus Hamburg zu vielen Spielen.
Im Lila-weißen Trikot spielt es keine Rolle woher du kommst und wohin du gehen wirst. Alles konzentriert sich auf diesen Moment, auf die Mannschaft und den Ball. Man fühlt sich zusammengehörig und ist Teil des Teams.
Eine Woche später. Konfirmation. Ein Pärchen tritt tastend über die Kirchenschwelle, schaut sich suchend um. Der Küster begrüßt sie freundlich, drückt ihnen einen Liedzettel in die Hand und sagt: „Noch haben Sie freie Platzwahl, suchen Sie sich einen schönen aus.“ Ein Lächeln huscht über die Gesichter. Die Kirche füllt sich. Moderne Lieder und alte Choräle werden gesungen. Schön ist es und andächtig. Ich frage mich, ob diese jungen Konfirmandinnen und Konfirmanden sich als Teil des Teams fühlen. Werden sie wiederkommen, einstimmen in die Gesänge und sich begeistern lassen?
Einem „Verein“ in lila-weiß bin ich treu geblieben. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers hält ihr Logo in diesen Farben. Auch hier kommen verschiedene Menschen zusammen, singen miteinander und lassen sich manchmal sogar begeistern. Mit der Stimmung in der Ostkurve können unsere Sitzungen und Gottesdienste nicht mithalten. Aber dieses Gefühl dazuzugehören, eingeladen und zuhause zu sein, das mag ich an unserer Kirche. Bei welchem Fangesang stimmen Sie mit ein?
Ihre
Anne Schrader,
Pastorin und Jugendkirchenpastorin