Postkartenmotive
Ich stehe im Speckladen unseres Ferienortes vor einem Drehständer und bewundere die vielen Postkarten, die das Salzburger Land von seiner besten Seite zeigen: schneebedeckte Gipfel, reißenden Wasserfälle und urigen Berghütten im Sonnenschein. Sie sind so perfekt, dass sie irgendwie alle gleich aussehen. Draußen ist es leider grau und regnerisch. Das Gebirge versteckt sich hinter einer dicken Wolkenschicht. Die Realität entspricht momentan so gar nicht den Hochglanzkarten und ist im Kontrast eine Enttäuschung!
Facebook und Instagram sind voll von kleinen Postkarten, die durchgängig „sonnige“ Szenen aus dem Leben der Nutzer darstellen: den durchtrainierte Körper, die harmonische Urlaubszeit oder das perfekte Dinner. Bildbearbeitungsprogramme helfen dabei, kleine Makel zu retuschieren. Falten werden einfach per Mausklick geglättet, das Licht optimiert. Und allzu graue Neuigkeiten bleiben den Followern und „Freunden“ ganz verborgen. Man muss ja schließlich nicht alles posten!
Die heilen Internetwelten der anderen verleiten zu Selbstzweifeln: Bin ich erfolgreich und attraktiv genug, um da noch mithalten zu können?
Jeder weiß, dass das wahre Leben nicht nur aus Postkartenmotiven besteht.
Unebenheiten und Schwächen gehören dazu. Der Mensch ist halt nicht knitterfrei. Die Schlechtwettergebiete des Alltags lassen sich nicht auf Knopfdruck ändern — leider!
Im Speckladen entdecke ich eine Karte mit einer kleinen Hand, auf der vier verschiedene Kieselsteine liegen. Darauf das Bibelzitat: „Du bist wertvoll und geliebt“ nach Jesaja 43,4.
Diese Karte hebt sich durch ihre Einfachheit von dem vordergründigen Perfektionismus der anderen ab. Die wetterunabhängige Botschaft liegt quasi auf der Hand. Ein schönes (Lebens-)Motiv!
Marco Spindler
Kirchenkreissozialarbeiter