Mit anderen Augen sehen
„Was soll ich für dich tun?“ Diese Frage begegnet mir in der biblischen Geschichte von Bartimäus, dem blinden Bettler. Dieser bemerkt, dass Jesus gerade auf dem Weg vorbei kommt. Eine Menschentraube umschließt ihn, sodass Bartimäus immer lauter ruft: „Jesus, erbarme dich“. Viele stört sein Rufen, sie wollen ihn zum Schweigen bringen. Dann bleibt Jesus stehen, ruft ihn zu sich. Dann die entscheidende Frage: „Was soll ich für dich tun?“.
Seine Antwort: „Ich will sehen“. Jesus reagiert: „Geh, dein Glaube hat dir geholfen“. Darauf folgt ihm der sehend Blinde.
Es gibt sie viele, die Aufschreie gegen Ungerechtigkeit. Einige davon sind so durchdringend, dass sie mir in Zeitung, Fernsehen und Radio begegnen. Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Oder gleichsam in meinem Alltag - auf meinem Weg zum Supermarkt, wo mir der Obdachlosenverkäufer seine Zeitung anbietet.
Machmal wird es mir dann zu viel und ich wünschte sie würden schweigen, einen Moment mich in meiner Bequemlichkeit in Ruhe lassen. Dann überhöre ich ihre Not oder tue sie mit kleiner Münze ab. Aber gut gemeint fragt nicht wirklich danach, was der andere will, sondern setzt es voraus.
Die Erzählung tut mir meine Augen auf. Ich erkenne, was aufrichtige Anteilnahme gerade im offensichtlichen Leid bewirken kann. Diese eine Frage zeigt dem Gegenüber, dass ich ihn mit seiner Situation sehe und ernst nehme. Ich kann einen Blickwechsel schaffen.
„Was soll ich für dich tun - wie kann ich dir helfen?“
Pastor Stefan Wollnik
St. Johannes Kirchengemeinde Katlenburg,