Was wirklich zählt
Wie finde ich einen gnädigen Gott? Mit dieser Frage hat sich Martin Luther lange herumgeschlagen. Um Gott zu gefallen, ist er im Kloster ein besonders eifriger Mönch gewesen. Er hat gebetet, gefastet, die Bibel studiert. Aber, was er auch tat, er kam immer zu demselben Ergebnis: alle Mühen, alle Werke reichen nicht aus, um vor Gott zu bestehen. Diese Erkenntnis belastete ihn so sehr, dass er fast darüber zerbrochen wäre.
Erst durch die Lektüre des Römerbriefs fand er schließlich die Befreiung aus seiner Glaubensnot. Nicht unsere Werke machen uns gerecht vor Gott. Gerecht macht uns allein der Glaube, d.h. unser Vertrauen zu Gott. Wir können diese Gnade nur empfangen, nicht selbst erwirken; nur erbitten, nicht einfordern. Luther will damit keinesfalls zur Untätigkeit aufrufen. Ganz im Gegenteil. Wer Gott vertraut, lässt seinen Worten auch Taten folgen. Wie eben ein guter Baum, gute Früchte trägt.
Weil aber bei Gott allein das Vertrauen zählt, zählt das Leistungsprinzip bei ihm nichts. Aus diesem Gedanken lässt sich ein Schluss für unser Zusammenleben ziehen: Eine Gesellschaft, die Menschen ausschließlich nach ihrer Leistung, ihrer Brauchbarkeit und ihrem Nutzen beurteilt, wird am Ende eine gnadenlose Gesellschaft sein. Und umgekehrt ist Frieden überall dort zu Hause, wo jeder Mensch zählt: alt und jung, krank und gesund, schwarz und weiß.