Innehalten
Wenn das neue Jahr beginnt, pflege ich ein kleines Abschiedsritual, meinen eigenen Jahresrückblick sozusagen. Nicht die öffentlichen Bilder aus Politik und Gesellschaft, Kultur, Sport und Zeitgeschehen, bestimmen diesen Rückblick, sondern die ganz persönlichen Termine und Notizen in meinem Kalender.
Ich blättere mich durch die Seiten des vergangenen Jahres, entdecke lebendige Erinnerungen und fast Vergessenes. Dick geschrieben und farbig unterlegt sind wichtige Termine, kleine Randnotizen erschließen sich erst auf den zweiten Blick. Ein paar unangenehme Pflichten sind mit Verschiebepfeilen geschmückt, besonders groß ist dann der Haken, der das „Erledigt“ markiert.
Im Rückblick auf das Jahr verschieben sich die Perspektiven: Manche „Wichtigkeit“ war dann doch gar nicht so bedeutsam, manche „Kleinigkeit“ hätte das Unterstreichen verdient gehabt. Und vieles, was überraschend eintrat, Gutes, wie Schlechtes, ist gar nicht notiert.
Das Leben ist stets mehr als die Terminsammlung im Kalender, doch immer wieder halte ich bei einem Stichwort inne, erinnere mich, an Menschen und Begegnungen, an Fröhliches und Trauriges, Schönes und Schweres.
Dann schließe ich das Buch, gebe das alte Jahr in Gottes Hand, aus der ich es empfing, und bin auch im Blick auf das neue Jahr zuversichtlich:
„Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag,
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“
(D. Bonhoeffer, Ev. Gesangbuch, Nr. 65)
Torsten-Wilhelm Wiegmann,
Schulpastor in Dassel