Anfänger
Langsam fährt das Auto vor mir, ich werde ungeduldig. Da lese ich auf der Heckscheibe: ANFÄNGER. Das entspannt mich: Er hat das Recht, langsam zu fahren. Das ist auch klug, er traut sich nicht zuviel zu. Anfänger dürfen langsamer fahren als andere. Anfänger sind noch nicht fertig und wissen das. Eigentlich haben sie es gut. Die können schon einmal einen Fehler machen. Fast jeder versteht das. Manchmal wünsche ich mir, noch einmal Anfänger zu sein. Das ist doch ehrlicher, als so zu tun, als sei man perfekt. Und bei aller Erfahrung waren und sind alle Anfänger in Sachen Pandemie.
Als Christen dürfen wir Anfänger bleiben. Wir sind nicht perfekt. Das zu wissen, hilft gegen Selbstüberschätzung und Selbstüberforderung. Das macht Mut, mit anderen darüber zu reden, was ich nicht verstehe: Von der gegenwärtigen Lage bis hin zum Glauben und der Kirche. Der und die Andere ist in jeder neuen Situation auch Anfänger, genau wie ich. Bei aller Lebenserfahrung gleicht keine Situation einer anderen, sondern ist höchstens so ähnlich und enthält insofern Neues. Wenn schon bei Routine immer wieder Fehler gemacht werden, dann doch erst recht bei neuen Lagen. Über Fehler von Anderen kann ich mich ärgern. Das belastet. Doch ich kann auch erleichtert feststellen: Nicht nur ich mache immer wieder Fehler, sondern das passiert ja sogar diesem und jener.
Nach und nach fangen wir im persönlichen und öffentlichen Leben wieder an. So vieles ist jetzt neu; bei aller Vorsicht werden wir auch Fehler machen und daraus bestenfalls lernen.
Irgendwann hat jeder einmal angefangen mit der Sache Jesu. Wir machen weiter. Wir sind nicht fertig, sondern mit ihm auf dem Weg. Jeder kann mit uns immer wieder neu anfangen.
Burkhard Stimpel ist Pastor an der Johanniskirche in Uslar
