Grenzen weiten
Meine Mutter zitierte oft ihre Oma mit dem Satz „Das Olla is nicht scheun“ – „Das Alter ist nicht schön“. Das kam, wenn sie ihre körperlichen Gebrechen spürte. Stimmt dieser Satz? Ist das Alter nicht schön? „Früher hat sie so gern im Garten gearbeitet. Irgendwann ging das nicht mehr. Da wurde sie immer stiller.“ So erzählten wir neulich in einem Trauergespräch von der Verstorbenen. „Ach, ich kann ja gar nichts mehr. Es ist schrecklich!“ So hörte ich neulich in einem Gespräch. Diesen Satz sagte einer, der seit Neustem einen Rollator braucht. Was wir mit unserer Körperkraft schaffen, definiert uns. Ist das richtig? Unsere Selbstwahrnehmung hängt davon ab. Wenn unsere Kräfte nachlassen, dann wirkt sich das auf die Seele aus. Es ist, als würden die Grenzen immer enger.
Gibt es einen Weg, der die Seele wieder frei macht, auch wenn der Körper nicht mehr so funktioniert, wie wir es gerne hätten? Ich wüsste gern Ihre und Eure Antworten auf diese Frage. Vielleicht haben manche von uns für sich da einen Weg gefunden.
Von Jesus Christus wird erzählt, dass mit ihm gelungen ist, Grenzen zu weiten. Da wurden Bewegungslose in Bewegung gebracht und Menschen wurden die Augen geöffnet.
Ich frage mich oft, was unter uns so wirken kann. Manchmal scheint es schon innere Grenzen zu sprengen, wenn da eine zuhört, sich anhört, was Schmerzen macht. Dann kommt manchmal auch zur Sprache, was eigentlich noch Freude macht. Manchmal kommen dann Seiten der Persönlichkeit wieder zum Glänzen, die schon lange verschüttet waren. Dann kommt da Leidenschaft und Lebenserfahrung und Freude zum Vorschein. Manchmal ist der Weg hart und steinig, bis sich die inneren Grenzen wieder weiten. Es lohnt sich trotzdem, diesen Weg zu suchen und ihn zu gehen.