Alles neu
Ich habe vor Kurzem im Neuschnee einen Abdruck entdeckt: Die Linien zeigten einen Kopf, zwei Flügel und einen Körper. Das Bild erinnerte mich an Engel, die entstehen, wenn man im Schnee liegend Arme und Beine kreisen lässt. Doch dieser Schneeengel war viel kleiner und filigraner. Eine Taube hatte ihn gemalt, als sie kurz mit ihrem Körper den Schnee streifte, um ihr Gefieder zu säubern.
Was für ein schöner Gruß, dachte ich bei mir. Und ich musste an Picassos Friedenstaube denken. Und an die Taube, die Noah einen Zweig zurückbringt auf seine Arche. Wie lange der auf seinem Schiff war und nicht an Land konnte. Überall Wasser von oben und unten. Und dann kommt die Taube und zeigt ihm das Ende der Flut. Und zum Schluss steht ein Regenbogen am Himmel.
Nicht Wasser gefährdet unser Leben, sondern ein Virus. Und wir versuchen, durch die Pandemie zu navigieren. Nun schon seit einem Jahr. Wir können uns nur retten, wenn wir uns gegenseitig schützen. Wir sitzen zwar alle in demselben Boot. Und doch sitzen wir da allein. Der Kampf gegen das Virus zerrt an den Nerven. Die Sehnsucht nach den Mitmenschen wird größer. Nach Freiheit. Nach Frieden.
In den letzten Tagen hat die Sonne den Schnee geschmolzen. Zuerst zog er sich von den Zweigen zurück. Dann rutschten die Dachlawinen. In den Gärten zeigen Schneeglöckchen und Winterlinge ihre Blüten. Die Welt bekommt ein neues Gesicht. Es wird eine Zeit kommen, da wird meine Sehnsucht gestillt. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Das verspricht Gott.
Auf der Linde bei uns im Garten sitzt nun Tag für Tag eine Ringeltaube. Bald werden Eier in ihrem Nest liegen. Zeichen für einen neuen Anfang. Denn Gott spricht: „Siehe, ich mache alles neu!“
Elsa Höffker, Pastorin in der Region Leinetal-Ahlsburg
