Grünkraft
Ich stehe auf einer Wiese. Gräser wiegen sich im Wind. Sie neigen sich zur Erde und richten sich wieder auf. Sie strotzen vor Frische. Ich wünsche mir Gedanken, die wie diese Gräser sind: Dann blieben sie beweglich und würden sich immer wieder neu aufrichten. Ans Licht wachsen, nicht im Dunkeln bleiben.
Die ersten Blüten, von denen sich die Bienen ernähren, sind schon vergangen. Am Ende steht ein neuer Anfang: Die Schirme der Pusteblumen sind davongeflogen. Sie werden an anderen Orten aufgehen. Selbst wenn sie zwischen Steine fallen. So sei auch mein Herz: Beharrlich und widerständig wie der Löwenzahn.
All das, was nun in der Sonne wächst, nährt meinen Körper und meine Seele. Jetzt im Frühling umgibt mich Grün. Und mich umgibt Kraft. Grünkraft. Überall hat sie die Erde aufgebrochen und neues Leben ans Licht geschoben. Jedes Jahr wieder. Das Wunder des Neubeginns.
„Du edelstes Grün, das seine Wurzeln in der Sonne hat“, so hat Hildegard von Bingen die Grünkraft besungen. In diese Grünkraft will ich mich einwurzeln. Ich lasse mich von Gott umarmen. Er umgibt mich mit seinem Grün – dem sichtbaren Geheimnis des Lebens.
Elsa Höffker, Pastorin in der Region Leinetal-Ahlsburg