Das große HMMMM…/Vor der Wand
Gerade habe ich die Haustür hinter mir zugezogen, um zu meiner vielleicht letzten Laufrunde in diesem Jahr aufzubrechen. Da schallt mir vom Gehsteig her ein: „Frohes Fest!“ entgegen. Die ältere Dame bleibt kurz stehen: „Ob das wohl noch mal besser wird? Ich werde es wohl nicht mehr erleben.“ Ich gebe nur ein langgezogenes „HMMMMM“ von mir und höre mich sagen: „Es wird wohl noch lange dauern, bis es wieder so ist wie vorher.“
Ich glaube, ich bin noch nie mit größeren Bedenken ins neue Jahr gegangen als in das kommende. Privat steht einiges an: Eine nicht ganz risikoarme OP eines mir sehr nahestehenden Menschen; Abschied vom Elternhaus, weil verkauft; mein kranker Vater im Pflegeheim; die Frage, wie oft ich meinen Sohn im nächsten Jahr sehen werde. Vieles in der Gemeinde liegt brach und mich erreichen Zuschriften von Menschen, die ihre Wut und Verzweiflung einfach nur noch auskotzen wollen, und ich bin der Prellbock. Wohin soll das führen? Es ist, als stünde ich vor einer Wand – wie viele andere auch. Doch leider fehlen der Wille und die Kraft, gemeinsam diese „Wand“ zu durchbrechen. Nicht das Virus macht uns gerade fertig, sondern wir tun es selbst!
Was kann ich dem entgegensetzen? Mir fällt eigentlich gerade nur das Bonhoeffer-Lied zum Jahreswechsel ein: Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag… Ist das Trost? Für mich ist es mehr. Für mich ist es eine Überzeugung. Willkommen 2022!