Vogelbeck

Foto: Jan von Lingen

Foto: Yvonne Guschke-Weinert

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Orgel

Foto: Jan von Lingen

Kindergottesdienst

Kindergottesdienst

Ostersonntag

Wir waren wie Träumende

Es waren dunkle Tage. Ich fand keinen Trost, nirgendwo. Ging hin und her. Legte mich nieder und stand auf. Starrte ins Leere und sprach Gebete. Doch keine Ruhe, kein Trost. Nirgendwo.

Ich bin Maria. Maria Magdalena. Maria aus Magdala. Eine Sünderin soll ich gewesen sein, wird erzählt. Eine Prostituierte. Das ist nicht wahr. Andere sagen: Jesus habe mich geheilt. Habe sieben böse Geister ausgetrieben. Ja, er hat tatsächlich etwas ausgetrieben. Die siebenfache Leere in meinem Herzen. Und er hat mein Herz siebenfach gefüllt. Mit Glaube, Hoffnung und Liebe.

Jeschua. Jesus. Freund, der mir lieb war. Rabbi, der mein Leben veränderte. Messias, auf den ich gehofft hatte. Wieder und wieder drängen sich diese Bilder vor Augen. Soldaten verhaften ihn. Die Menschenmenge fordert seinen Tod. Schergen schlagen ihn ans Kreuz. Ich war bei ihm, als er starb. Und dann nahmen wir seinen Körper vom Kreuz. Wickelten ihn in ein Leintuch und brachten ihn in eine Grabhöhle. Alles musste schnell gehen. Denn am Abend begann der Sabbat. Nicht mal säubern konnten wir seinen geschundenen Leib. Und dann betete ich und weinte. Niemals werde ich diese traurigen Tage vergessen - aber auch nicht, was an jenem Morgen geschah. Am dritten Tag.

Wir machten uns auf den Weg. Schweigend gingen wir vor die Tore der Stadt. Ich, Maria - die Mutter des Jakobus - und Salome. Die Kälte der Nacht lag noch über dem Land. Die ersten Sonnenstrahlen tauchten die Welt in ein blasses Licht. Wir wollten Jesus die letzte Ehre erweisen. Den Körper waschen, den Leichnam ölen, mit Kräutern den Geruch des Todes vertreiben. Ich werde nie verstehen, was dann geschah. Der Stein war fortgerollt, das Grab leer. Nur das Leintuch lag noch da - und mir schien, als wäre ein Engel dort, als hörte ich die Worte: Er ist nicht hier. Er ist auferstanden.

Wir waren wie Träumende. Stellten wir uns das nur vor? War es Wunschdenken oder - ein Wunder? Nichts galt mehr. Nicht oben oder unten. Nicht Tod oder Leben. Nicht Leid oder Freude. Nicht Vergangenheit, nicht Zukunft. Die Nacht war vorüber. Der Tag erwacht. Und mir schien, eine Mauer sei durchbrochen. Und durch die Ritzen brach Licht.

Und Ihr, fast 2000 Jahre danach ... - wenn Ihr meine Geschichte hört? Ihr durchmesst den Himmel und erforscht das Weltall. Aber ist Euch bewusst, dass der Himmel in Euch selbst beginnt? Ihr schickt Nachrichten in Sekundenschnelle um den Erdball. Aber wisst Ihr auch, welche Worte letztlich wichtig sind für Euer Leben? Im Moment spürt Ihr die Grenzen des Machbaren. Gelingt es Euch auch, Eurem Dasein Tiefe und Sinn zu verleihen?

Ostern heißt: Jesus bleibt. Auch bei Euch.

Jan von Lingen