EinTanz 2025 berührte Herz und Verstand
Einbeck. Was bedeutet Glück in einer Zeit, die sich rasend schnell verändert, in der Selbstverwirklichung zwischen Likes und Leistungsdruck zur Zerreißprobe wird? Das Kooperationsprojekt der Jugendkirche marie und der Multifunktionshalle EinTanz ging dieser Frage in „Glückssachen“ mit eindrucksvoller choreografischer Erzählkraft auf den Grund. Was das Publikum im Juni in der Multifunktionshalle Einbeck erlebte, war weit mehr als eine Tanzshow – es war ein tiefgründiges Generationenporträt in Bewegung.
Schon beim ersten Probenwochenende Ende März wurde deutlich: Das Ensemble brannte. Neue und bekannte Gesichter verschmolzen zu einer pulsierenden Einheit, die mit Energie, Neugier und bemerkenswertem Teamgeist in die kreative Arbeit einstieg. Die Erzählung von „Glückssachen“ folgte einer lose zusammengehaltenen Dramaturgie, die sich tänzerisch, szenisch und mit sparsamen Requisiten entfaltete: Vom glamourösen Einlass samt Sektempfang über einen hektischen Showbeginn bis zum metaphorischen „Rauschmiss“ wurden Rollen gefunden, verworfen und neu interpretiert. Showmaster, Clubtänzer*innen, Urlauber*innen, Freundschaften, Enttäuschungen und Momente des Ankommens reihten sich wie Abschnitte des Lebens aneinander. „Glückssachen“ zeigte sich als Kaleidoskop innerer Zustände – es ging um Selbstwirksamkeit, das Suchen nach Zugehörigkeit, Selbstzweifel, den sozialen Vergleich und letztlich um Resilienz. Die Tanzenden standen exemplarisch für zentrale Entwicklungsaufgaben junger Menschen: den Wunsch, gesehen zu werden, den Schmerz des Scheiterns, das Bedürfnis nach Verbundenheit und die Rückkehr zur Herkunft. Die tänzerisch dargestellten Szenen erzählten von depressiven Verstimmungen, Sinnsuche und der Kraft von Ritualen. EinTanz verweigerte sich einfachen Glücksversprechen. Stattdessen durchschritten die Tanzenden Tiefen und Krisen, bevor sie symbolisch neue Bühnen betraten. Die finale Szene wirkte nicht wie ein Schluss, sondern wie ein gemeinsames Innehalten – und ließ das Publikum mit Fragen zurück: Was gibt uns Halt? Was bedeutet es, wirklich zuhause zu sein? Gerade in einer Welt, in der junge Menschen mit multiplen Unsicherheiten – Klimakrise, gesellschaftlicher Druck, digitale Dauerpräsenz – rangen, bot „Glückssachen“ eine sensible Plattform zur Reflexion. Ohne pädagogischen Zeigefinger, dafür mit künstlerischer Wucht.
EinTanz war weit mehr als ein Tanzprojekt. Es war Ausdruck einer generationenbezogenen, sozial und religionspädagogisch getragenen Kulturarbeit, in der junge Menschen Räume zur Selbstentfaltung fanden. Das Ensemble – geleitet von Rebecca Koch, Marc Hertwig, Tom Astein und Harm Bremeyer – schuf einen Ort, an dem Tanz zur Sprache wurde und Gemeinschaft spürbar war. Die öffentliche Resonanz sprach für sich: Rund 600 Menschen besuchten die drei öffentlichen Aufführungen in der Multifunktionshalle, die Schulvorstellungen lockten beeindruckende 900 SchülerInnen aus der Region an. Vor Ort waren die Goetheschule, die IGS Einbeck, die Löns-Realschule, die BBS Einbeck, die PGS sowie die RvD aus Dassel – ein eindrucksvoller Beleg dafür, wie stark EinTanz inzwischen in der Bildungslandschaft verankert ist.
Das Ensemble bestand aus Leana Kieß, Lina Engelke, Jonna Gehl, Luise Deichmann, Juna Kurtz, Alina Borns, Madita Henze, Iljana Hahndorf, Carolin Arlt, Julia Heitmüller, Svenja Schiegl, Isabel Behrens, Astrid Becker, Henny Erdmann, Joana Strunk, Marvin Kreikenbohm, Summer Fröhlich, Freya Brockmeyer – junge Menschen, die mit Hingabe, Talent und Mut eine berührende Geschichte auf die Bühne brachten. Im Hintergrund halfen circa 50 weitere ehrenamtliche das Projekt einzigartig zu machen.
Wer sich auf „Glückssachen“ einließ, betrat eine Welt aus Bewegung, Emotion und Reflexion. Und erkannte vielleicht im Spiegel der Inszenierung: Glück war nichts, das man besaß. Es war etwas, das im Miteinander entstand.