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Foto: Yvonne Guschke-Weinert

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Kindergottesdienst

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Ein altes Lied ruft zur Umkehr auf

Pressemitteilung 02. Oktober 2025
„Laudato si“ heißt übersetzt „Gelobt seist Du“. Mit diesen Worten beginnt der Sonnengesang auf Italienisch. So zu sehen in einem Kirchenfenster der Kathedrale in Gent (Belgien) (Foto: Jan von Lingen)

Vor 800 Jahren entstand der Sonnengesang von Franz von Assisi
von Jan von Lingen

Er ist einer der großen Dichter Italiens: Giovanni Bernardone. Im Winter 1224/1225 dichtete der schon schwer kranke und fast blinde Mann in den Hügeln Umbriens ein ganz besonderes Gedicht. Erstaunlich: Nicht 100, nicht 200, nein 800 Jahre ist sein Text im Gedächtnis geblieben. Es ist der sogenannte „Sonnengesang“ des Franz von Assisi, so wurde der Autor bald genannt. Sein Liedtext gilt als ältestes Werk der italienischen Literatur und beginnt so: „Gelobt seist du, mein Herr, mit all deinen Geschöpfen…“

Ich stelle mir Franz von Assisi vor, wie er das schreibt: Um ihn herum ist alles dunkel, er ist geschwächt von einer schweren Augenkrankheit. Aber sein Herz, so verstehe ich seine Zeilen, ist voller Jubel für den Schöpfer, der „Bruder Sonne“ gemacht hat und „Schwester Mond“, Sterne und Winde, Feuer und Wasser – alles „Brüder und Schwestern“. 

In den Monaten vor seinem Tod schrieb er dieses Gedicht, im Dialekt Umbriens und vielfach in die Sprachen unserer Welt übersetzt und geliebt: „Gelobt seist du, mein Herr, mit all deinen Geschöpfen. Schwester Sonne besonders, die den Tag macht und durch die du uns erleuchtest. Schön ist sie und strahlend mit großem Glanz, ein Bild von dir, du Höchster.“

Wer hätte gedacht, dass jener Kaufmannssohn einmal Geschichte schreiben würde, ja, dass sein Gedicht genau acht Jahrhunderte später noch gelesen, gebetet und gesungen werden würde? Seine Kindheit und Jugend verlief zunächst ganz normal. Franz von Assisi wächst auf als Sohn reicher Eltern. Es fehlt ihm an nichts. Er sammelt Freunde um sich, feiert viel. Macht Karriere im Militär. Aber dann gerät er als junger Offizier in Gefangenschaft und wird schwer krank. Das verändert sein Leben. #

Zurück in Assisi zieht er vor den Augen einer großen Volksmenge seine prunkvollen Kleider aus. Er verlässt das Elternhaus und die Stadt. Seine Braut heißt nun „Armut“. Er lebt zurückgezogen, als Einsiedler. Er entwickelt ein besonderes Gespür für die Natur. Im Sonnengesang besingt er nicht mehr wie früher Reichtum oder militärische Stärke, sondern die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde: „Gelobt seist du, Herr, durch Bruder Mond und die Sterne. Durch dich sie funkeln am Himmelsbogen und leuchten köstlich und schön.“

Manche hielten ihn für verrückt. Auf andere übte Franz von Assisi, bald nach seiner Entscheidung, Mönch zu werden, eine große Faszination aus. Er sammelt Gefährten um sich. So entsteht der Franziskanerorden. Franz und seine Freunde zeichnen sich durch eine besondere Demut aus. Sie achten die Natur. Legenden erzählen, Franz von Assisi habe sogar den Vögeln gepredigt und einen Wolf gezähmt.

Und was geschieht, wenn wir dieses 800 Jahre alte Gebet sprechen oder als Lied singen? Franz lehrt uns Heutige seine besondere Sichtweise: Wir schauen nicht von oben oder von außen auf die Schöpfung. Wir sind ein Teil von ihr. Sind Geschwister unter Geschwistern. Sonne, Mond, Erde, Tiere und Pflanzen, sagt Franz von Assisi, sind mit uns verbunden – als wären sie Geschwister.

Doch wir erleben anderes: steigende Temperaturen, Trockenheit, Überschwemmungen … - und die Frage stellt sich: Welche Rolle spielen wir Menschen? Haben wir Raubbau an der Natur betrieben? Wieviel Lebensraum lassen wir den Mitgeschöpfen? Wenn ich den Sonnengesang heute lese oder singe, höre ich die Frage: Was kannst du tun zur Bewahrung der Schöpfung? Wo kann dein Lebensstil einfacher und dein Umgang mit der Schöpfung respektvoller werden? 

Die letzten Zeilen widmet Franz der Versöhnung unter den Menschen: „Gelobt seist du, mein Herr, durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen. Selig jene, die solches ertragen in Frieden.“ Naturverbundenheit und Friedensethik – beides brauchen wir und sehnen uns danach. Auch 800 Jahre nach der Entstehung des „Sonnengesangs“ von Franz von Assisi.