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Foto: Jan von Lingen

Foto: Yvonne Guschke-Weinert

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Kindergottesdienst

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Kirchenkreis verabredet Schutzkonzept gegen „sexualisierte Gewalt“

25. Mai 2023
Sie stellten das künftige Schutzkonzept auf der Kirchenkreissynode vor: Kirchenmusiker und Mitarbeiterver-treter Günter Stöfer, Kirchenkreisjugendwartin Julia Grote, Schwerbehindertenbeauftragte Anja Gaber, Schuldnerberaterin Ute Räbiger sowie Kirchenvorsteher Christoph Ratke. Foto: Christian Steigertahl

Sensibel für Grenzen sein: Kirche soll ein sicherer Ort sein

Kirchenkreis. Eine Kultur der Achtsamkeit, ein umfassendes Schutzkonzept sowie ein Krisenplan sollen „sexualisierte Gewalt“ im Kirchenkreis Leine-Solling verhindern. Dies wurde bei der Sitzung der Kirchenkreissynode des Kirchenkreises Leine-Solling vor rund 50 Teilnehmenden vorgestellt. Im September soll das neue Schutzkonzept für den Kirchenkreis endgültig beschlossen und anschließend in den Kirchengemeinden und Einrichtungen umgesetzt werden. Neben Jugendarbeit und Seelsorge werden Kirchenmusik und Gemeindearbeit berücksichtigt. Ein weiterer Schwerpunkt gilt dem Umgang mit Menschen mit Behinderungen.

„Die kirchliche Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Abhängigkeitsverhältnissen ist im hohen Maße Beziehungsarbeit“, sagte Referentin Anuschka Lütje von der „Fachstelle Prävention sexualiserter Gewalt“ der Landeskirche Hannovers in ihrem Vortrag vor der Kirchenkreissynode. Sie berichtete über eine Kultur der Achtsamkeit: „Achten Sie auf Grenzen und Grenzverletzungen“, riet sie im Blick auf den Umgang mit Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen. Ziel sei es einerseits, die Natürlichkeit im Umgang miteinander nicht zu verlieren, andererseits ein klares Ja oder Nein einzuüben.

Im Hinblick auf die Täter sexuellen Missbrauchs berichtete sie von deren Strategien: „Gezielte Grenzverletzungen führen zu Übergriffen und diese können zu Straftaten wie Mißbrauch oder Nötigung führen.“ Am Ende fühlten sich oft die Opfer schuldig und meldeten den Missbrauch aus Scham nicht. Auch dies gehöre zur Täterstategie. Die Dunkelziffer sei hoch.
Um sexualisierte Gewalt zu verhindern, spielen Sensibilisierungen und Fortbildungen eine
zentrale Rolle. Darum ist eine „Grundschulung“ verpflichtend für alle ehrenamtlich und beruflich Mitarbeitenden, die mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Obhutsverhältnissen arbeiten sowie eine Leitungsfunktion haben. In der Septembersitzung der Kirchenkreissynode soll das nun vorgestellte Schutzkonzept beschlossen werden. Dann sind Kirchengemeinden und Einrichtungen gefragt, eigene Schutzkonzepte zu entwickeln.

„Erste Schulungen haben bereits stattgefunden“, berichtete Superintendentin Stephanie von Lingen vor der Synode: „Unter den Teilnehmenden waren Pastorinnen und Pastoren, Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, Diakoninnen und Sozialarbeiter sowie Leitungskräfte aus der Verwaltung. Auch der Kindertagesstättenverbandsvorstand und das Notfallseelsorgeteam haben sich bereits zum Thema fortgebildet.“

Bei der Kirchenkreissynode wurden die inhaltlichen Schwerpunkte des Schutzkonzeptes abschließend durch persönliche Voten der Mitglieder der Steuerungsgruppe vorgestellt.


Julia Grote (Jugendarbeit):
„In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist die Prävention sexualisierter Gewalt schon lange fester Bestandteil der JuLeiCa-Schulung (JugendLeiterCard), die die jungen Ehrenamtlichen auf ihr Gruppenleiter*innen-Dasein vorbereitet. Dabei geht es nicht nur um das Verhältnis von Nähe und Distanz, sondern auch um das aktive Wahrnehmen der Machtverhältnisse und der Verantwortung, welche das Engagement auf u.a. Jugend-/Kinder-Freizeiten oder in der Arbeit mit Konfirmand*innen-Arbeit mit sich bringt. Mit der intensiven Auseinandersetzung mit dem Schutzkonzept ist nochmal deutlich geworden, dass sowohl die Engagierten als auch die Teilnehmer*innen kirchlicher Angebote Schutzräume benötigen, in denen sie sich wohl und angenommen fühlen – so, wie sie sind. In Folge dessen sieht das pädagogische Konzept der Evangelischen Jugend beispielsweise vor, dass Zimmer auf Freizeiten nicht nach einem binären Geschlechtersystem (klassisch: Jungen- und Mädchenzimmer) eingeteilt werden, sondern so, dass sich alle Teilnehmenden in ihren Bedürfnissen ernstgenommen fühlen.“

Ute Räbiger (Beratung Seelsorge):
„Pastorinnen und Pastoren, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Mitarbeitende in den Beratungsstellen in unserem Kirchenkreis führen Gespräche mit Menschen in Krisensituationen. Dies sind häufig Vier-Augen-Gespräche und diese finden nicht in der Öffentlichkeit, sondern in geschützten Räumen statt. Deshalb ist es mir wichtig, dass wir beschreiben und festlegen, was in diesem ‚intimen‘ Beratungs- und Seelsorgesetting zu beachten ist, was geht und was nicht sein soll. Wir tragen eine große Verantwortung für alle, die sich vertrauensvoll an uns wenden und müssen dafür sorgen, dass sich die Menschen in dieser Atmosphäre sicher fühlen.“

Anja Gaber (Schwerbehindertenvertretung):
„Menschen mit Behinderung sind einem erheblich höheren Risiko ausgesetzt, körperliche, sexuelle und/oder psychische Gewalt zu erfahren (2-3% häufiger als ohne Behinderung).
Die sich häufig wiederholenden Gewalterfahrungen führen oft zu weiteren psychischen, psychosomatischen oder anderen Beeinträchtigungen. Machtverhältnis: behinderte Menschen häufig in emotionaler oder auch körperlicher Abhängigkeit von Tätern, dies erleichtert Grenzverletzungen. Grenzverletzung, Diskriminierung oder Macht zeigt sich auch darin, wenn z.B. Hilfsmittel verweigert werden (Verlust von Respekt und Wertschätzung).“

Günter Stöfer (Kirchenmusik):
„Als Kirchenmusiker*in gerät man immer wieder in 2-er-Situationen (z.B. Einzelinstrumental-unterricht, Stimmbildung, Kind wird nach der Chorprobe nicht von den Eltern abgeholt) in denen mit sehr viel Fingerspitzengefühl zu agieren ist. Für diesen Bereich sollten in jeder Kirchengemeinde individuelle Risikobewertungen erstellt werden.“

Christoph Ratke (Kirchenvorsteher):
„Als Kirchenvorstand sind wir Arbeitgeber und tragen besondere Verantwortung für eine klare und präventive Haltung unserer haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden, insbesondere in der Kinder- und Jugendarbeit, unter anderem bei Freizeitmaßnahmen. Daher begrüße ich es sehr, wenn wir ein klar verabredetes Schutzkonzept haben und sensibler werden im Einhalten von Grenzen.“

Weitere Informationen unter: https://praevention.landeskirche-hannovers.de