Ich bin bei euch
Jerusalem. Die Straßen voller Menschen. Wer irgend kann, kommt zum Passahfest in die Stadt. Von überallher reisen gläubige Juden an, um sich hier mit ihren Familien zu treffen.
Jesus schlendert mit seinen Jüngern durch die Straßen. Spricht mit diesem und jenen, hat guten Kontakt zu den Leuten. Viele sind begeistert. Die Jünger haben alle Hände voll zu tun. Wie Leibwächter müssen sie Jesus vor all den Neugierigen schützen. Endlich wird es Abend. Zeit um zur Ruhe zu kommen, gemeinsam um den Tisch zu sitzen und zu essen… - ein letztes Mal.
Heute Abend ist vieles anders, überall in der Welt. Kontaktverbot, mancherorts Ausgangssperre. Die Gassen in Jerusalems Altstadt sind nicht wieder zu erkennen. Kaum jemand ist auf den Straßen. Bei uns in Deutschland sind die Türen der Kirchen verschlossen.
Und doch sitzen auch heute Familien um ihren Abendbrottisch. Erinnern sich vielleicht: Wie war das damals, als Jesus zum letzten Mal Brot und Wein mit seinen Jüngern teilte? „Wenn ich nicht mehr bei euch sein kann“, hatte Jesus damals erklärt, „ihr aber meine Nähe spüren wollt, dann macht es genauso. Macht es mir einfach nach. Feiert zusammen. Erinnert Euch. Teilt Brot und Wein miteinander und erinnert euch an die Liebe, die ich unter euch gelebt habe.“
Brot des Lebens für dich, Kelch des Heils für dich… - manche Worte brauchen ihren Ort, brauchen Zeichen, damit sie in die Seele fallen. Dass Gott in seiner Liebe keine Unterschiede und keine Grenzen kennt, ja, dass er selbst in Leid und Tod nicht von unserer Seite weicht, seinen Menschen ganz nahe bleibt: das können wir nicht rational erklären. Darum feiern wir dieses Geheimnis im Gottesdienst und sagen uns sein Versprechen immer wieder neu zu. Im Moment müssen wir darauf verzichten. Umso mehr freue ich mich auf das nächste Mal, wenn wir wieder als Gemeinde vor dem Altar Abendmahl feiern können.
Bis dahin stärkt mich die Erinnerung an Jesu Worte: „Seid aufmerksam für die Nöte des Andern, geht liebevoll miteinander um, helft einander - gerade in dieser besonderen Zeit. So bin ich bei euch, im Leben und im Sterben und himmelweit darüber hinaus.“
Stephanie von Lingen