Vogelbeck

Foto: Jan von Lingen

Foto: Yvonne Guschke-Weinert

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Orgel

Foto: Jan von Lingen

Kindergottesdienst

Kindergottesdienst

Mittwoch nach Ostern

Der Thomas-Moment

Ein Mann - nennen wir ihn Thomas - steht kopfschüttelnd vor mir und sagt: "Ostern ist ja schön und gut, aber wissen Sie: Die Geschichte von Ostern kann ich nicht nachvollziehen! Jesus ist auferstanden - das ist doch überhaupt nicht zu begreifen", sagt er. Und ich gebe ihm recht: Wie könnten wir das verstehen?

Den ersten prominenten Zweifler findet man schon in der Bibel: Es ist der Jünger Thomas. Er kann nicht glauben, was die Frauen erzählen. Das Grab sei leer? Ein Engel sei ihnen dort begegnet? Der gekreuzigte Jesus sei auferstanden? - Das ist nicht möglich, sagt er. Er traut dem Hörensagen nicht, sondern folgt seinem gesunden Menschenverstand. Später gab man ihm dafür den Namen "der ungläubige Thomas".  Zu Unrecht, wie ich finde. Ist Thomas wegen seiner Nachfrage "ungläubig"? Thomas ist einer von uns. Vielen ergeht es ähnlich wie ihm.

Thomas wird nicht durch Argumente überzeugt, sondern durch eine Begegnung. Die Bibel erzählt es so: Jesus kommt zu Thomas und erlaubt ihm, dass er ihn berührt und die Finger in seine Wunden legt - erst jetzt ist sich Thomas sicher: Jesus, der am Kreuz gestorben ist, ist tatsächlich auferstanden. Auch für uns ist Ostern ein weiter Weg, der steinig ist und voller Zweifel. Aber er beginnt vor unseren Füßen. Zum Beispiel, wenn wir in die Schuhe des Thomas schlüpfen und seinen Spuren folgen.

Den Auferstandenen berühren können wir nicht. Aber wir können das Osterfest bewusst feiern - wenn auch in diesem Jahr ohne österliche Liedern und Lesungen, Gebete und Gottesdienste. Manchmal führt uns auch ein Künstler seine Deutung der Ostergeschichte vor Augen. Oder es sind Gedichte wie die Verse des Arztes und Lyrikers Hans Carossa, die uns berühren: "Jesus, die große Sonne, kommt keinem abhanden, den sein Strahl einmal durchleuchtet hat. Man kann ihn vergessen, man kann ihm abschwören, das ändert nichts; er ist vergraben in umwölktesten Herzen, und es kann stündlich geschehen, dass er aufersteht."

Ostern dreht das Dunkel ins Licht. Die Bibel ist voll von denen, die erlebt haben, wie Gottes Licht aufstrahlt und plötzlich die Wirklichkeit verändert. Der Tod ist kein Schlusspunkt, sondern ein Doppelpunkt. Und wenn wir denken, es geht zu Ende, sagt der Glaube: Es beginnt etwas Neues. Das ist der Thomas-Moment. Und den wünsche ich Ihnen!

Jan von Lingen