Vogelbeck

Foto: Jan von Lingen

Foto: Yvonne Guschke-Weinert

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Orgel

Foto: Jan von Lingen

Kindergottesdienst

Kindergottesdienst

Von guten Mächten geborgen?

Von guten Mächten geborgen?

Vor 75 Jahren im Gefängnishof des Konzentrationslagers Flossenbürg. Es ist der 9. April 1945. Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer wird zusammen mit sechs anderen Gefangenen aus der Zelle geführt. Er spricht ein Gebet, legt seine Kleider ab und besteigt die Treppe zum Galgen. Dietrich Bonhoeffer ist nicht einmal 40 Jahre alt, als er hingerichtet wird. Im Gefängnis schreibt er einmal über sich selbst:

Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest wie ein Gutsherr aus seinem Schloß.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar, als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch, ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist.

Dietrich Bonhoeffer hatte tatsächlich eine besondere Ausstrahlung, so erzählen Zeitzeugen. Der Sohn eines Professors wächst in Berlin auf. Bereits mit 21 Jahren promoviert er. Er studiert zeitweise in New York, geht als Auslandspfarrer nach London. Schon zwei Tage nach der Machtergreifung Adolf Hitlers im Jahre 1933 warnt Bonhoeffer in einer Rundfunkansprache: Der Führer kann schnell zum Verführer werden. Er leitet eine kirchliche Ausbildungsstätte für junge Theologen, die bald verboten wird. Außerdem schließt er sich der Widerstandsgruppe des 20. Juli im deutschen militärischen Geheimdienst an. Im April 1943 wird er verhaftet. Tagebücher und Briefe an seine Eltern und seine Braut erzählen von den Jahren in Haft. Dort schrieb er auch das Gedicht „Wer bin ich?“

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle, hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen, dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe. Wer bin ich? Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

Dietrich Bonhoeffer ist bis heute für viele Christen ein Vorbild im Glauben. Kirchen und Schulen, Krankenhäuser und Straßen sind nach ihm benannt. Er hat die Verantwortung sehr ernst genommen. Gerade auch die Verantwortung der Kirche für die Welt. Christen sollen sich nicht nur um die Kirche kümmern, sondern auch sehen, was in der Welt geschieht. Und das war zu seiner Zeit besonders wichtig. Darum hat er geschrieben: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen in der Kirche.“

Bonhoeffer war ein leidenschaftlicher Theologe und ein tiefgläubiger Mensch. Dies zeigt auch sein berühmtes Gedicht „Von guten Mächten“. Er schrieb es in seiner Zelle wenige Monate vor seinem Tod:

Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Jan von Lingen