Tränen im Auge, Frieden im Sinn
von Jan von Lingen, Superintendent im Kirchenkreis Leine-Solling
Zwei Mal bin ich Israel gewesen. Nie vergessen werde ich den See Genezareth, der friedlich vor mir lag. Ich rieche noch den Duft der frisch gepflückten Apfelsinen und erinnere mich an den Besuch im Kibbuz. Wenig später fahren wir durch die Wüste, baden im Toten Meer und rasten in einer Oase. Israel: Das sind faszinierende Landschaften, freundliche Menschen und religiös bedeutsame Orte. Aber eben auch eine Mauer: Sie ist 759 Kilometer lang und trennt Israel vom Westjordanland.
Wir machen Besuche hier und dort und sprechen mit Menschen vor und jenseits der Mauer. Wir sind doch Schwestern und Brüder, habe ich manchmal von Juden über Muslime und von Muslimen über Juden sagen hören. War es nur ein Stillhalten, ein Abkommen?
Der Überfall der Hamas ist nun ein Jahr her. Wir leiden mit den Angehörigen der Opfer und Entführten. Wir sehen aber auch die Flüchtenden im Gazastreifen und im Südlibanon. So viele zivile Opfer, in Tücher gehüllt, nebeneinander aufgereiht. Was für ein teuflisches Kalkül der Terroristen: Jedes Opfer auf beiden Seiten schürt den Hass.
Es heißt, Jesus habe geweint, als er vom Ölberg auf die Stadt Jerusalem sah: „Wenn doch auch du erkenntest, was dem Frieden dient.“ Eine Kirche wurde zur Erinnerung an diesen traurigen Moment gebaut und hat einen ungewöhnlichen lateinischen Namen: „Dominus flevit“ heißt sie, übersetzt: „Der Herr weint.“
„Der Herr weint“ – auch in diesen Tagen über all das Leid im Nahen Osten. So wie uns vielleicht die Tränen in den Augen stehen, wenn wir die Bilder von dort sehen. Am Ende bleibt mir nichts Anderes als auf einen mühsamen Neuanfang zu hoffen. Und der beginnt mit einer Umkehr, so wie ein Psalmbeter in Psalm 34, Vers 15 fordert: „Lass ab vom Bösen und tu Gutes. Suche Frieden und jage ihm nach!“