Gesellschaft ohne Kirche?
Die Kirche verliert weiter an öffentlicher Bedeutung. Lohnt es sich da noch, sich zu engagieren?
Vor etwa 14 Jahren schrieb der Verfassungsrichter Udo de Fabio: „Es wächst die Einsicht, dass eine nicht-religiöse Gesellschaft auf Dauer vielleicht keine demokratische und humane Gesellschaft wäre.“ Ich habe damals skeptisch auf diese These reagiert. Heute sehe ich es anders, denn undemokratisches, nationalistisches und unsolidarisches Gedankengut ist deutlich auf dem Vormarsch.
Die Kirche steht mit ihrer Kernbotschaft für Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, also für die Grundlagen unseres Zusammenlebens. Aber als Institution ist sie immer mehr in Frage gestellt. Deutet die Krise der Kirche auch auf die Krise unserer Gesellschaft hin?
Überalterung, klamme Sozialkassen, Fachkräftemangel, Bildungskrise, Entsolidarisierung reicher Milieus sind nur einige der Schieflagen in unserem Staat. Problemlösungen kosten Geld, doch nachhaltig lassen sich gesellschaftliche Probleme nicht nur mit Geld lösen. Es muss auch ein neuer Geist wehen. So sind soziales Engagement und Ehrenamt zunehmend gefragt. Da hat die Kirche ein gewaltiges Fundament. Unser Markenkern ist die Botschaft vom liebenden Gott, die sich in Diakonie und Seelsorge verdichtet. Sie werden in Zukunft immer wichtiger, denn sie wirken hinein in unsere Gesellschaft und nicht aus ihr heraus! Das Bild der Kirchen wird sich stark verändern. Doch „Miteinander Wirken und Mitwirken“ in der Kirche ist Teil der Zukunftsformel für eine Gesellschaft, die ich mir wünsche.
Michael Groh, Pastor im Kirchenkreis Leine Solling
