Strandkorbtag
Nervige Verlässlichkeiten
Ich lehne mich zurück in meinen Strandkorb. Die Lehne ist nach hinten geneigt, richtiges Urlaubsfeeling. Noch ist Ebbe. Ich sehe nur Strand und Watt und hinten am Horizont noch Meer. Hören kann ich aber mehr – vor allem eins: Möwengeschrei.
Alte Biester sind das. Meine Krabbenbrötchen musste ich vor denen schon beschützen, als sie noch fast so groß waren wie ich selbst. Die „Ratten der Lüfte“, wie manche sie nennen. Ständig auf der Lauer für den nächsten Beutezug. Fischbrötchen, Eiswaffel, Pizzareste – die Auswahl ist schier unendlich.
Ich stehe auf und stapfe los – durch den Sand, rein ins Watt. Und auch hier: Überall Möwen. So weit das Ohr nur reicht. Ich spüre den Wattboden unter meinen Zehen und Fußsohlen. Die Wellen in dem Sand-Schlick-Gemisch massieren den Alltag aus mir heraus. Ich schlendere immer weiter hinaus, genieße die Ziellosigkeit. Irgendwann schweift mein routinierter Wattwanderblick zur Rettungsstation: Tatsächlich, da ist der orangene Ballon. Es ist Zeit, umzukehren. Die Flut kommt.
Ich komme meinem Strandkorb immer näher. Je größer und klarer er in meinem Blickfeld wird, desto klarer wird auch die Möwe. Sie sitzt auf seinem Dach – und beäugt mich hoffnungsvoll. Diese Ratten der Lüfte – sie haben auch etwas von Verlässlichkeit. Sie sind immer da, wenn Urlaub ist. Ich lehne mich zurück in meinen Strandkorb. Ich gucke der Flut entgegen. Und ich lausche den Ratten der Lüfte – den Boten des Urlaubs.