Kirche soll ein sicherer Raum sein
von Jan von Lingen, Superintendent in Northeim
„Null Toleranz-Linie“ – ich habe das Wort noch im Ohr. Ich musste erst verstehen, was gemeint war. Vor sieben Jahren, bei einer Versammlung aller Pastorinnen und Pastorinnen im Raum Hildesheim-Göttingen, fiel es das erste Mal. Gemeint war: „Es darf in der Kirche keine sexuellen Übergriffe geben. Kirche muss ein sicherer Raum sein für alle, die sich ihr anvertrauen.“ Für sexuelle Übergriffe galt die „Null Toleranz-Linie“, wie ich es auch in meinem ersten Kirchenkreis vor rund 25 Jahren erlebt habe. Dort wurde ein Pastor aus diesem Grund aus dem Dienst entlassen.
Seitdem ist viel geschehen. Eine Fachstelle für die „Prävention sexualisierter Gewalt“ wurde auf Landeskirchenebene eingerichtet. Unser Kirchenkreis Leine-Solling hat ein Schutzkonzept entwickelt, das jetzt in den neuen Kirchenvorständen für die Gemeinden weiterbearbeitet und vor allem gelebt wird. Alle hauptberuflich Mitarbeitenden in unserem Kirchenkreis sind geschult worden.
Für uns alle in unseren Gemeinden und Einrichtungen gilt: In Seelsorge und Unterricht, im gemeinsamen Singen, bei Freizeiten und Gruppenaktionen ist Nähe wichtig und schön. Wichtig ist aber auch, die Grenzen zu sehen und zu ziehen: Unerwünschte Berührungen, verbale Distanzlosigkeit oder Bindungen, die auf Abhängigkeit zielen, sind nicht zu tolerieren. Werden Grenzen überschritten, wird die Würde der anderen Person verletzt.
„Prävention sexualisierter Gewalt“ muss ganz selbstverständlich in den Focus unseres Gemeindealltags rücken. Das heißt für mich: Sensibel sein, das eigene Verhalten kontrollieren und hinschauen.
