Der Tag, an dem ich
mutig, stark und beherzt wurde
oder
Mutig? Stark? Beherzt?
von Jan von Lingen, Superintendent in Northeim
„Ich kenn´ dich nicht, ich wasch´ dich trotzdem“. So denke ich manchmal, wenn ich morgens mein Spiegelbild im Bad anschaue. Ich sehe Ringe unter den Augen und zerzaustes Haar. So ernüchternd beginnt mein Tag.
Und dann lese ich die Losung des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Wir feiern ihn nächstes Jahr in Hannover unter dem Motto „Mutig – stark – beherzt“. Was für ein strahlender Dreiklang! Gerne wäre ich all das, erkenne mich aber eher als „schwach, kleinlaut und manchmal herzlos“. Besonders morgens im Spiegel. Statt ein fröhliches Morgenlied zu singen, summe ich eher: „Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da?“
Morgen ist Kirchentagssonntag. Da wird die neue Losung in manchen Gemeinden vorgestellt. Sie ist mehr als ein Werbeslogan. Denn gleichzeitig schwingt mit, was der Apostel Paulus erlebt hat. Wir erinnern uns an ihn als den ersten Völkermissionar und einen der größten Denker des Christentums. Dabei war er wohl klein von Gestalt, gesundheitlich angeschlagen und bei seinen Reden schwach. Aber er hat erkannt: „Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
So lasse ich mir die Kirchentagslosung gefallen. Es liegt eben nicht alles an mir selbst. Das, was wir im Moment am meisten brauchen - nämlich Mut, Stärke und Herzenswärme - hat eine Quelle, ja, kommt von außen: Gott macht mich mutig. Mein Glaube macht mich stark. Und die Gemeinschaft stärkt mein Herz. So werde ich die Kirchentagslosung verstehen. Und wenn ich dann morgens in den Spiegel schaue, sehe ich mich anders: Als geliebtes Gotteskind.