Gerade komme ich vom Verwaltungsgericht Göttingen. Ich habe zwei geflüchtete Menschen bei ihrem Asylverfahren begleitet. Sie haben sich hier taufen lassen und sind jetzt Christen. In ihrer alten Heimat dem Iran kann das lebensgefährlich sein. Aber sind sie wirklich aus Überzeugung Christen geworden oder nur, um hier leben zu können?
Die Richterin stellt schwere Fragen: Wo in der Bibel steht etwas über das Abendmahl? Manches wissen sie, das aber nicht. Und trotzdem bin ich davon überzeugt, dass beide es mit dem Glauben ernst meinen. Die Richterin hat einen riesigen Ermessensspielraum. Sie muss aus all den Fragen und Eindrücken zu einem Gesamtbild kommen. Gar keine leichte Aufgabe.
Dass Menschen uns beurteilen, das ist unser ganzes Leben lang so. Das haben auch die Schülerinnen und Schüler am vergangenen Freitag gemerkt. Und auch die Lehrer und Lehrerinnen haben dabei einen Ermessensspielraum: Kommt eine 3- oder schon eine 4 ins Zeugnis?
Ich stelle mir Gott nicht gerne als Richter oder strengen Lehrer vor. Ich finde das ein gruseliges Bild. Ich glaube, dass es Gott nicht um Leistung, sondern um eine persönliche Beziehung zu uns geht. Ihm ist es egal, ob wir wissen, wo in der Bibel etwas über das Abendmahl steht.
Aber natürlich frage ich mich trotzdem immer wieder auch, wie Gott wohl dieses oder jenes findet, was ich getan habe. Wie er es bewertet.
In letzter Zeit kommt mir dabei dann oft Jesu Worte in den Kopf: „Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.“ (Lk 18, 27) Und dann denke ich: Gott muss einen unendlich großen Ermessensspielraum haben. Und es muss bei ihm eben doch ganz anders sein als bei uns Menschen. Und dann weiß ich, dass auch ich bei ihm nicht durchfalle oder abgewiesen werde. Und Sie auch nicht!
Pastor Christian Coenen
Kirchengemeinden der Region Dassel
