Bella ciao!
Seit Tagen dröhnt ein italienischer Ohrwurm in meinem Kopf. Doch das Lied „Bella ciao“ erzählt nicht von leckerem Essen, Urlaubserinnerungen oder der bella vita. Vielmehr ist es ein Protestsong gegen den italienischen Faschismus im Zweiten Weltkrieg. Ein Protest, der angesichts der erschreckenden Wahlergebnisse in Italien in Vergessenheit geraten scheint.
Und doch ist der Protest aktuell. Denn die Melodie erklingt gerade in einer anderen Ecke der Welt: Im Iran singen Frauen dieses Lied. Sie protestieren auch auf diese Weise gegen die jahrzehntelange Unterdrückung, die aktuell wieder in Gewalt und Tod ausufert. Mutige Frauen gehen auf die Straßen und legen ihr Kopftuch ab. Mit wallendem Haar tanzen und singen sie für ihre Freiheit. Ganz friedlich. Und müssen fürchten, dafür erschossen zu werden. Und trotzdem singen sie.
Erinnerungen kommen hoch an die Friedliche Revolution, als mutige Männer und Frauen durch deutsche Straßen zogen und für Freiheit protestierten. Eine Revolution, die ich selbst nur aus Erzählungen und Geschichtsbüchern kenne. Und doch prägt sie mein ganzes Leben. An diesem Erntedankwochenende danke ich auch für die reichen Früchte, die der Mut und die Lieder vor 80 Jahren in Italien und vor 33 Jahren in Deutschland getragen haben. Und ich bitte, dass auch die Saat der Proteste im Iran aufgehen und erntereif werden wird.
