Kleine Freude zwischendurch
Alfred ist innerhalb von fünf Wochen gestorben. Sein bester Freund ruft mich an: „Er ist immerhin 73 Jahre alt geworden, aber wir hätten ihm noch viele schöne Jahre gewünscht!“ Er fragt mich, ob ich bei seiner Beerdigung ein paar Worte sagen kann. Es soll aber nicht zu geistlich sein, gibt er mir noch mit auf den Weg, so geistlich wäre sein Freund auch nicht gewesen.
Als ich in den Friedwald komme, wundere ich mich über die vielen bunt gekleideten Menschen. Dass Alfred im Karnevalsverein aktiv war, wusste ich, aber nicht, dass er so viele Menschen kannte. „Er wollte keine Trauerkleidung“, sagt mir der Bestatter, als wir uns zum Grab unter den Bäumen aufmachen. Die Urne ist auf einem kleinen Tischchen aufgebaut. Überall Konfetti, neben der Urne liegt eine Narrenkappe.
Als die Urne von Alfred beigesetzt ist, erlebe ich etwas, was ich bislang nur ein einziges Mal an einem Grab erlebt habe. Die Familie hat sich gerade verabschiedet, als sich ein Mann aus der Beerdigungsgesellschaft löst, eine Flasche Schnaps in der Hand. Er schraubt die Flasche auf und gießt einen kräftigen Schluck ins Grab. Dann gibt er die Flasche an seine Freunde weiter. Alle nehmen einen Schluck: „Auf Alfred!“, höre ich sie. Ich muss sehr überrascht ausgesehen haben, denn jetzt kommt der Mann zu mir und erklärt mir: „Auch in großer Traurigkeit muss es eine kleine Freude geben.“
Morgen ist der Sonntag „Lätare“, auf Deutsch: Freue dich! Die „kleine Freude zwischendurch“, so hat meine Mutter diesen Sonntag immer genannt. Dann gab es am Sonntagnachmittag keinen Schnaps, aber ein schönes Stück Kuchen.
Mitten in der Passionszeit, in der wir an das Leiden und Sterben Jesu denken, heißt ein Sonntag „Freue dich!“, weil wir auf der Hälfte sind, weil Ostern schon aufleuchtet und die traurige Zeit etwas heller macht.
Manchmal brauchen wir eine kleine Freude zwischendurch.
Bleiben Sie neugierig!
Ihr
Daniel Konnerth,
Pastor in der Kirchengemeinde Einbeck
