Ausgerechnet ein Esel!
von Jan von Lingen, Superintendent im Kirchenkreis Leine-Solling
Ich mag Esel. Dabei haben sie eigentlich keinen guten Ruf. Sie gelten als störrisch und stur. Unter die Redensarten hat es nur der Spruch „Du dummer Esel“ geschafft. Und in der Literatur? Da sprechen wir von „Eselsohren“, wenn eine Buchseite geknickt ist. Ist nicht mehr über den Esel zu sagen? Ich finde, der Esel ist völlig verkannt. Denn seit Urzeiten gilt er als treuer Begleiter des Menschen. Er ist ein trittsicheres Zug- und Lastentier. Seine harten Hufe finden den Weg in jedem Gelände.
Ich freue mich immer darüber, wenn der Esel in der Advents- und Weihnachtszeit seinen großen Auftritt hat. Nicht erst Heiligabend, wenn er in unseren Weihnachtskrippen geduldig neben dem Ochsen ausharrt, sondern schon ganz am Anfang der Adventszeit.
Denn am 1. Advent wird in den Kirchen erzählt, wie Jesus in Jerusalem einzog. Durch das Stadttor von Jerusalem ritt er – allerdings nicht auf einem prächtigen Ross wie ein künftiger König, sondern auf einem Esel wie ein Pilger. Ein bewusstes Gegenbild zu den rasanten Streitwagen und schnellen Kriegspferden der Römer, die das Land besetzt hielten. Sanftmütig brachte Jesus die Liebe Gottes unter die Menschen. Viele verstanden dies als Erfüllung einer alten Prophezeiung: „Siehe, dein König kommt zu dir, demütig und auf einem Esel…“ (Sacharja 9,9)
So einen Friedensfürsten könnten wir auch in unserer kriegsgebeutelten Zeit gut gebrauchen. Einen, der ein Friedensreich mitten unter uns aufbaut. Aber eines gilt damals wie heute: Frieden fängt mitten unter uns an. Und da lasst uns stur und störrisch sein – ganz so wie der Esel!