Blindes Vertrauen
Jazztage in Dresden. Das Hotel am Rande der Stadt ist restlos ausgebucht. Im kleinen Frühstücksraum herrscht reger Andrang. Vor mir geht eine junge Frau mit ihrer Mutter und lässt sich durch den Raum navigieren. Sie ist blind und gehört zu einer Gruppe von ca. 10 Personen, die uns bereits am Vortag beim Einstieg in die S-Bahn begegnet ist. Wie mag das wohl sein, wenn man sich in einer fremden Umgebung aufhält und nichts sehen kann? Gerade in einer Großstadt mit viel Verkehr und geschäftigen Menschen, die in Eile an einem vorbeirennen. Da ist es sicherlich hilfreich, jemanden an seiner Seite zu haben, dem man im wahrsten Sinne des Wortes „blind“ vertrauen kann und der einem Sicherheit gibt. Mir fällt auf, dass es zwischen den Sehenden und den Blinden der Gruppe ein intuitives Verständnis gibt. Berührungen oder Sprachkommandos sind kaum erforderlich. Es scheint, als wirke eine unsichtbare Kraft. Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Was soll das eigentlich sein? Für mich ist der Heilige Geist eine unsichtbare Kraft, die Menschen zusammenführt und ein Band der Verbundenheit knüpft. Pfingsten steht für das kostbare Wir-Gefühl, den solidarischen Zusammenhalt und die verlässliche Sicherheit der Gemeinschaft. Was ich in Dresden “im Kleinen” beobachtet habe, das wünsche ich uns allen “im Großen”: Menschliches Miteinander, dem ich „blind“ vertrauen kann und das Halt im Leben gibt!
Marco Spindler
Kirchenkreissozialarbeiter im Diakonischen Werk
